Ist Verhinderungspflege zu versteuern?
Dieser Beitrag stellt die wichtigsten Fundstellen zusammen. Er dient nicht zur Steuerberatung.
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OFD Frankfurt/M. v. 12.07.2013 - S 2342 A - 75 - St 213 |
Zahlungen Pflegebedürftiger an selbst gewählte Pflegepersonen bei Erstattung durch Krankenkasse/Pflegekasse bzw. Sozialleistungsträger
Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 36 EStG
Nach § 3 Nr. 36 EStG sind Einnahmen für Leistungen zur Grundpflege oder hauswirtschaftlichen Versorgung bis zur Höhe des Pflegegeldes nach § 37 Sozialgesetzbuch (SGB) XI steuerfrei, wenn diese Leistungen von Angehörigen des Pflegebedürftigen oder von anderen Personen, die damit eine sittliche Pflicht im Sinne des § 33 Abs. 2 EStG gegenüber dem Pflegebedürftigen erfüllen, erbracht werden.
Weitergeleitete Erstattungen der Sozialversicherungsträger sind jedoch nur steuerfrei, soweit diese das Pflegegeld der Stufe III nach § 37 SGB XI nicht übersteigen. Nicht erfasst von der Steuerbefreiung sind vom Pflegebedürftigen selbst zusätzlich gewährte Vergütungen. Dies gilt auch, wenn die „Gesamtvergütung” unterhalb der Höhe des Pflegegelds nach § 37 SGB XI bleibt.
Wegen des persönlichen Anwendungsbereichs von § 3 Nr. 36 EStG ist die Steuerfreiheit für Pflegepersonen, die keine Angehörige sind, nur zu gewähren, wenn sie eine sittliche Pflicht im Sinne des § 33 Abs. 2 EStG gegenüber dem Pflegebedürftigen erfüllen. Eine solche sittliche Pflicht kann regelmäßig angenommen werden, wenn die Pflegeperson nur für einen Pflegebedürftigen tätig wird.
Außer auf Leistungen an Pflegebedürftige im Sinne des SGB XI ist § 3 Nr. 36 EStG auch auf vergleichbare Fälle von weitergeleiteten Erstattungen für die Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung von Hilfsbedürftigen anzuwenden.
Solche vergleichbaren Fälle liegen vor bei
- Erstattungen von Krankenversicherungen nach § 37 SGB V für häusliche Pflege durch Privatpersonen, für selbst beschaffte Haushaltshilfen nach § 38 Abs. 4 SGB und so genannte Verhinderungspflege nach § 39 SGB V sowie für entsprechende Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und Gesetzen, die das BVG für entsprechend anwendbar erklären,
- Leistungen nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung,
- Leistungen aus öffentlichen Kassen auf Grund gesetzlich geregelter Unfallversorgung oder Unfallfürsorge,
- Leistungen der Beihilfe nach den Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder und Leistungen der freien Heilfürsorge (oder unentgeltliche truppenärztliche Versorgung), wenn der Betreffende trotz Pflegebedürftigkeit (vorübergehend) noch im aktiven Dienst ist (bzw. im Einzelfall sein sollte),
- Leistungen im Sozialhilferecht ( SGB XII ),
- entsprechende Leistungen aus dem Ausland oder von einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung.
Hinsichtlich der Verhinderungspflege ist Folgendes zu beachten:
Das Sozialrecht unterscheidet zwischen der eigentlichen Pflegeperson, für die sich die Anspruchsgrundlage auf Pflegegeld aus § 37 SGB XI ergibt, und der Person, die im Falle der Verhinderung der eigentlichen Pflegeperson die Pflege vertretungsweise übernimmt. Für diese sogen. Verhinderungspflege ergibt sich die Anspruchsgrundlage aus § 39 SGB XI .
Steuerlich wird jedoch nicht zwischen der eigentlichen Pflege und der Verhinderungspflege unterschieden. § 3 Nr. 36 EStG enthält eigenständige Tatbestandsmerkmale für die Gewährung der Steuerfreiheit, die von den Regelungen des SGB XI unabhängig sind. Soweit bei der Verhinderungspflege die Voraussetzungen des § 3 Nr. 36 EStG erfüllt sind, kommt hierfür die Steuerbefreiung dem Grunde nach in Betracht, lediglich von der Höhe her erfolgt auch bei der Verhinderungspflege die Begrenzung auf die Beträge des § 37 SGB XI .
Soweit bei der Verhinderungspflege die Tatbestandsmerkmale des § 3 Nr. 36 EStG nicht erfüllt sind oder höhere Beträge gezahlt werden als die in § 37 SGB XI genannten, besteht Steuerpflicht.
2) Anfrage beim Bundesfinanzministerium
Von: Andrea Teetzen
Gesendet: Dienstag, 19. Januar 2016 16:25
An: Bürgerreferat
Betreff: Versteuerung der Verhinderungspflege
Sehr geehrte Damen und Herren,
in den Foren von Behinderten taucht regelmäßig die Frage auf, inwiefern Verhinderungspflege zu versteuern ist.
Mir ist hierzu diese Regelung bekannt:
http://treffer.nwb.de/completecontent/dms/content/000/431/Content/000431722.htm
Ist dieser Erlaß der OFD Frankfurt am Main bundesweit gültig? Kann man sich in jedem Bundesland auf diese Regelung berufen?
Die Steuerberater erteilen regelmäßig unterschiedliche Auskünfte von steuerfrei, steuerpflichtig über „das fällt unter die Übungsleiterpauschale“ usw.
Über eine Antwort freut sich
Andrea Teetzen
Antwort:
Von: Buergerreferat at bmf.bund.de
Gesendet: Donnerstag, 21. Januar 2016 08:27
An: andrea.teetzen
Betreff: WG: Versteuerung der Verhinderungspflege
Sehr geehrte Frau Teetzen,
eine verbindliche Auskunft kann Ihnen das Bundesministerium der Finanzen (BMF) nicht erteilen, auch darf das BMF weder Rechtsauskünfte in Einzelfällen noch rechtliche oder steuerliche Ratschläge erteilen. Bei Fragen zu Ihren persönlichen steuerlichen Angelegenheiten ist Ihr Finanzamt bzw. die oberste Landesfinanzbehörde zuständig. Ich bitte um Verständnis, dass ich Ihnen nur allgemeine Hinweise zur steuerrechtlichen Behandlung der Verhinderungspflege geben kann.
Nach § 3 Nummer 36 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Einnahmen für Leistungen zur Grundpflege oder hauswirtschaftlichen Versorgung bis zur Höhe des Pflegegeldes nach § 37 SGB XI steuerfrei, wenn diese Leistungen von Angehörigen des Pflegebedürftigen oder von anderen Personen, die damit eine sittliche Pflicht gegenüber dem Pflegebedürftigen erfüllen, erbracht werden. Für Personen, die im Falle der Verhinderung der eigentlichen Pflegeperson die Pflege vertretungsweise übernehmen (sog. Verhinderungspflege), ergibt sich die Anspruchsgrundlage aus § 39 SGB XI.
Soweit bei der Verhinderungspflege die Tatbestandsmerkmale des § 3 Nummer 36 EStG nicht erfüllt sind oder höhere Beträge gezahlt werden als die in § 37 SGB XI genannten Beträge, besteht dagegen eine Steuerpflicht.
Freundliche Grüße
Im Auftrag
________________________
Referat für Bürgerangelegenheiten
- Leitungsstab -
Bundesministerium der Finanzen
Wilhelmstraße 97, 10117 Berlin
Telefon: 030-18682-xxxx
Fax: 030-18682-xxxx
E-Mail: buergerreferat at bmf.bund.de
Internet: http://www.bundesfinanzministerium.de
3)
Wird ein Steuerpflichtiger im Rahmen der sog. Verhinderungspflege (§ 39 SGB XI) tätig, so liegt i.d.R. ein Arbeitsverhältnis vor. Die von der Pflegekasse gezahlten Leistungen im Rahmen der Verhinderungspflege sind nach § 3 Nr. 36 EStG nur dann steuerfrei, wenn die Pflege von Angehörigen (steuerrechtliche Angehörige im Sinne des § 15 Abgabeordnung) des Pflegebedürftigen erbracht wird. Für die Anwendung des § 3 Nr. 26 EStG, der sog. Übungsleiterpauschale, muss die Tätigkeit im Dienst oder im Auftrag einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts erbracht werden. Die Beschäftigung in einem Privathaushalt ist hierbei nicht begünstigt.
4)
Sofern die Verhinderungspflege zu versteuern ist, dürfte es sich dabei nicht um Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit handeln, denn das müßte eine Gewinnerzielungsabsicht bestehen und diese wiederholt erfolgen.
Eher wären es wohl SONSTIGE EINKÜNFTE gemäß § 22 Nr.3 EStG.
5)
Gesetzestexte:
§ 39 SGB XI Häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson
Ist eine Pflegeperson wegen Erholungsurlaubs, Krankheit oder aus anderen Gründen an der Pflege gehindert, übernimmt die Pflegekasse die Kosten einer notwendigen Ersatzpflege für längstens vier Wochen je Kalenderjahr; § 34 Abs. 2 Satz 1 gilt nicht. Voraussetzung ist, daß die Pflegeperson den Pflegebedürftigen vor der erstmaligen Verhinderung mindestens sechs Monate in seiner häuslichen Umgebung gepflegt hat. Die Aufwendungen der Pflegekassen können sich im Kalenderjahr auf bis zu 1.470 Euro ab 1. Juli 2008, auf bis zu 1.510 Euro ab 1. Januar 2010 und auf bis zu 1.550 Euro ab 1. Januar 2012 belaufen, wenn die Ersatzpflege durch Pflegepersonen sichergestellt wird, die mit dem Pflegebedürftigen nicht bis zum zweiten Grade verwandt oder verschwägert sind und nicht mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben. Bei einer Ersatzpflege durch Pflegepersonen, die mit dem Pflegebedürftigen bis zum zweiten Grade verwandt oder verschwägert sind oder mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben, dürfen die Aufwendungen der Pflegekasse regelmäßig den Betrag des Pflegegeldes nach § 37 Abs. 1 nicht überschreiten, es sei denn, die Ersatzpflege wird erwerbsmäßig ausgeübt; in diesen Fällen findet der Leistungsbetrag nach Satz 3 Anwendung. Bei Bezug der Leistung in Höhe des Pflegegeldes für eine Ersatzpflege durch Pflegepersonen, die mit dem Pflegebedürftigen bis zum zweiten Grade verwandt oder verschwägert sind oder mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben, können von der Pflegekasse auf Nachweis notwendige Aufwendungen, die der Pflegeperson im Zusammenhang mit der Ersatzpflege entstanden sind, übernommen werden. Die Aufwendungen der Pflegekasse nach den Sätzen 4 und 5 dürfen zusammen den in Satz 3 genannten Betrag nicht übersteigen.
§ 3 Nr. 1, 26 und 36 EStG
Steuerfrei sind...
1. a) Leistungen aus einer Krankenversicherung, aus einer Pflegeversicherung und aus der gesetzlichen Unfallversicherung,...
26. Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder vergleichbaren nebenberuflichen Tätigkeiten, aus nebenberuflichen künstlerischen Tätigkeiten oder der nebenberuflichen Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen im Dienst oder im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat belegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, oder einer unter § 5 Absatz 1 Nummer 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallenden Einrichtung zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung) bis zur Höhe von insgesamt 2 400 Euro im Jahr. 2Überschreiten die Einnahmen für die in Satz 1 bezeichneten Tätigkeiten den steuerfreien Betrag, dürfen die mit den nebenberuflichen Tätigkeiten in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Ausgaben abweichend von § 3c nur insoweit als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden, als sie den Betrag der steuerfreien Einnahmen übersteigen;...
Nr. 36 Einnahmen für Leistungen zur Grundpflege oder hauswirtschaftlichen Versorgung bis zur Höhe des Pflegegeldes nach § 37 des Elften Buches Sozialgesetzbuch, wenn diese Leistungen von Angehörigen des Pflegebedürftigen oder von anderen Personen, die damit eine sittliche Pflicht im Sinne des § 33 Absatz 2 gegenüber dem Pflegebedürftigen erfüllen, erbracht werden. 2Entsprechendes gilt, wenn der Pflegebedürftige Pflegegeld aus privaten Versicherungsverträgen nach den Vorgaben des Elften Buches Sozialgesetzbuch oder eine Pauschalbeihilfe nach Beihilfevorschriften für häusliche Pflege erhält;...
(1) Angehörige sind:
1. der Verlobte auch im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes,
2. der Ehegatte oder Lebenspartner,
3. Verwandte und Verschwägerte gerader Linie,
4. Geschwister,
5. Kinder der Geschwister,
6. Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner,
7. Geschwister der Eltern,
8. Personen, die durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind (Pflegeeltern und Pflegekinder).
(2) Angehörige sind die in Absatz 1 aufgeführten Personen auch dann, wenn
1. in den Fällen der Nummern 2, 3 und 6 die die Beziehung begründende Ehe oder Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
2. in den Fällen der Nummern 3 bis 7 die Verwandtschaft oder Schwägerschaft durch Annahme als Kind erloschen ist;
3. im Fall der Nummer 8 die häusliche Gemeinschaft nicht mehr besteht, sofern die Personen weiterhin wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind.
§ 22 Arten der sonstigen Einkünfte
Sonstige Einkünfte sind...
3. Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 6) noch zu den Einkünften im Sinne der Nummern 1, 1a, 2 oder 4 gehören, z. B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen und aus der Vermietung beweglicher Gegenstände. 2Solche Einkünfte sind nicht einkommensteuerpflichtig, wenn sie weniger als 256 Euro im Kalenderjahr betragen haben. 3Übersteigen die Werbungskosten die Einnahmen, so darf der übersteigende Betrag bei Ermittlung des Einkommens nicht ausgeglichen werden; er darf auch nicht nach § 10d abgezogen werden. 4Die Verluste mindern jedoch nach Maßgabe des § 10d die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus Leistungen im Sinne des Satzes 1 erzielt hat oder erzielt; § 10d Absatz 4 gilt entsprechend. 5Verluste aus Leistungen im Sinne des § 22 Nummer 3 in der bis zum 31. Dezember 2008 anzuwendenden Fassung können abweichend von Satz 3 auch mit Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 11 ausgeglichen werden. 6Sie mindern abweichend von Satz 4 nach Maßgabe des § 10d auch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus § 20 Absatz 1 Nummer 11 erzielt;...